Achtung Gewerbemieter aufgepasst:

Gewerbemieter stehen angesichts der Pandemiesituation vor vielen Fragen und großen Herausforderungen.
Muss ich Insolvenz anmelden?
 
Überlebe ich die kommenden Wochen und Monate?
 
Wann werden die Einschränkungen wieder gelockert?
 
Reicht das Geld?

Gerade zum letzten Punkt hatte die Bundesregierung mit einem kaum beachteten Gesetzgebungsverfahren am 31.12.2020 eine Stärkung der Gewerbemieter und damit auch einen Ausgleich zwischen Vermieter und Gewerbemieter geschaffen, welches hier unbedingt Beachtung finden sollte.


Es wurde befristet bis zum 30. September 2022 eine Ergänzung zu § 313 BGB (der sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage) beschlossen. 



1. Vertragsanpassung und damit Mietenreduzierung:


Ursprünglich gewährt der sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB dem Mieter oder Pächter ein Recht zur Anpassung des Vertrages, wenn sich


a) Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben,


b) die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, und


c) einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten 


am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.


Die vorstehenden Umstände waren vom (Gewerbe-) Mieter bzw. Pächter im Falle eines Rechtsstreits darzulegen und zu beweisen.


Mit dem neuen Art. 240 § 7 EGBGB wird nun vermutet, dass die infolge der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie fehlende oder erheblich eingeschränkte Nutzbarbarkeit von Gewerbemietflächen einen Umstand im Sinne des § 313 BGB darstellt. 


Der Gewerbemieter muss also nicht mehr die vorstehenden Umstände darlegen und beweisen. 


Der Vermieter muss nun darlegen und beweisen, warum die vorstehenden Umstände und die schwerwiegende Veränderungen nicht gegeben sind – das ist der entscheidende Unterschied.


Demnach ist diese Vermutung zu Gunsten des Gewerbevermieters zwar widerlegbar, jedoch sehen wir gerade bei Mietern von Einkaufszentren und Bahnhöfen / Flughäfen - welche in der Regel der kompletten Schließung unterworfen waren und sind - weniger Widerlegungspotential. 


Gleiches gilt grundlegend für Gewerbemieter großer Einkaufsstraßen und Passagen.


Einzig Mietverhältnisse, die in einem Zeitpunkt geschlossen wurden, in dem die Pandemie und ein Lock-Down bereits absehbar war, nehmen an dem Anpassungsanspruch der Miete nach § 313 BGB nicht mehr teil. 


Auch können Vertragsklauseln die einen Wegfall der Geschäftsgrundlage bereits vorsehen, ggf. nachteilig sein.


In der (Faust-) Regel beträgt die Höhe der Anpassung, je nach Maß der Einschränkung, bis zu 50 %. Vergleichen Sie auch OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021, 5 U 1782/20.


Es ist jedoch sehr vom Einzelfall abhängig. 


Die Interessen des Vermieters (zB sein Kapitaldienst an die Bank) sind dabei ebenso in die Überlegung der Anpassungshöhe mit einzubeziehen. Ebenso einzubeziehen sind staatliche Kompensationsleistungen wie Kurzarbeitergeld etc. auf Seiten des Gewerbemieters.


2. (bisherige) Rechtsprechung


Auch bereits vor der gesetzlichen Regelung am 31.12.2020 haben zwei erstinstanzliche Gerichte (LG Heidelberg und LG München) eine Störung der Geschäftsgrundlage grundsätzlich bereits angenommen. 


Von der neueren Rechtsprechung ist mit der Vermutungsregel stets eine Feststellung der Störung der Geschäftsgrundlage zu erwarten. 


Der Fokus wird eher in der Risikoverteilung liegen, mithin was beiden Parteien zumutbar ist. Dies ist für die Höhe der Anpassung entscheidend. 


Sofern eine außergerichtliche Verhandlung keine Einigung ergibt, ist ein gerichtliches Einigen nach § 44 EGZPO beschleunigt zu behandeln. Bereits nach einem Monat soll in der Regel die Verhandlung vor Gericht anberaumt werden. 


3. Fazit


Wir empfehlen mit dem Vermieter die (ggf. nochmalige) Kontaktaufnahme und bieten uns hierfür an.


Da der Wegfall der Geschäftsgrundlage ein tatsächlicher Zustand ist und dieser bereits im März 2020 aufgetreten ist, sollte auch die Vergangenheit mit dem Vermieter ebenso besprochen werden – nicht bloß die Zukunft.


Viele Gewerbemieter, insbesondere die von Einkaufszentren o.ä., haben bereits vom Vermieter die Hand gereicht bekommen, was die Zukunft anbetrifft. Für die Vergangenheit empfiehlt sich jedoch die (nochmalige) Kontaktaufnahme, um die bezahlte Miete der
Vergangenheit ebenso zu thematisieren und hier ein Lösungskonzept (zB Verrechnungspositionen für den Fall einer Öffnung) zu erarbeiten.


Es geht nicht darum um mit dem Vermieter in Konfrontation zu treten – wenngleich man sich natürlich fragen müsste ob die Vermieterseite im Falle des Verzugs von Mietzahlungen genauso gesprächsbereit wäre. 


Es geht lediglich darum einen Ausgleich der Interessen zwischen Vermieter und Gewerbemieter zu finden, sodass alle Parteien mit möglichst wenig Schaden durch die schwierige Zeit kommen und das Gewerbemietverhältnis damit auf neue vertrauensvolle Beine gestellt wird. 


Auch bietet die Kontaktaufnahme die Möglichkeit, außerhalb der Miethöhe, andere Vertragspunkte zu verhandeln – zum Beispiel Vertragslaufzeiten anzupassen oder den Vertrag gleich vorzeitig aufzuheben.


Bevor also eine Insolvenz als einzige Lösung ins Auge gefasst wird, sollte dieser Weg mit dem Vermieter diskutiert werden.


Wir stehen Ihnen bei weiteren Rückfragen gern zur Verfügung. 



Kanzlei Steincke 

RA Michael Steincke

RA Jens Berger